Der Lieblingskuchen meiner Oma Mia war ein Aachener Reisfladen. Sie stammte aus Eschweiler, in der Nähe von Aachen, und in ihrer Region ist dieser Kuchen eine Spezialität. Nachdem sie der Liebe wegen ins Sauerland gezogen war, mußte ihr Bruder Georg den Fladen immer für sie aus Aachen mitbringen, wenn er zu Besuch kam. Dies waren natürlich besondere Festtage, denn eine Fahrt von rund 150 Kilometern hat man in den 50er Jahren noch nicht „mal eben“ gemacht, und ihr Bruder kam damals wohlgemerkt mit dem Motorroller. Meine Mutter erinnert sich, daß an diesen Tagen immer eine festliche Stimmung herrschte – es wurde Bohnenkaffee gekocht, Sahne geschlagen und ein Glas eingemachtes Obst zum Kuchen aufgemacht.
Bei einem seiner Besuche hat Georg seine spätere Frau Irmi kennengelernt. Dies war für ihn natürlich ein Grund des Öfteren ins Sauerland zu kommen, und somit kam meine Großmutter auch häufiger in den Genuß ihres Lieblingskuchens. Schlußendlich ist dann auch Georg der Liebe wegen ins Sauerland „ausgewandert“, was für meine Großmutter eine große Freude war, da ihr kleiner Bruder nun sogar in derselben Straße wohnte wie sie. Aber es gab einen großen Nachteil – kein Aachener Reisfladen mehr!
Diese Spezialität herzustellen, ist durchaus aufwendig: Man muß einen Hefeteig machen und gehen lassen, den Milchreis kochen und dabei regelmäßig umrühren, abkühlen lassen, Eigelb unterziehen, Eiweiß steifschlagen und unterheben, den Teig ausrollen und in die Form geben, Reismasse aufstreichen und alles eine gute Stunde backen. Sogar heutzutage, wo die Küchenmaschine den Großteil der Arbeit übernimmt, ist das viel Aufwand. In einer Zeit, als das alles noch von Hand gemacht werden mußte, war es sicher ein Tagewerk.
Wenn es allerdings eine Eigenschaft gab, die meine Oma Mia nicht besaß, dann war es Geduld. Da sie auf den geliebten Fladen aber auch nicht ganz verzichten wollte, hat sie eine schnellere und deutlich einfachere Variante erfunden, die ihr ein sehr ähnliches Geschmackserlebnis geboten hat: Den Hefeteig hat sie kurzerhand komplett weggelassen. Den ungekochten Reis, die Milch und die Eier hat sie einfach in einer Auflaufform verrührt und im Ofen gebacken, ohne sich großartig darum kümmern zu müssen.
So mache ich es nun auch schon seit Jahren, aber ich habe mir fest vorgenommen, bald einen richtigen Aachener Reisfladen zu backen, um den Lieblingskuchen meiner Großmutter endlich probieren zu können.
Mias Reisfladen mit Gewürzpflaumen
Zutaten
- 1 Glas Pflaumen (Abtropfgewicht ca. 350 g)
- 4 EL Rohrohrzucker
- 1¼ TL Zimt
- ½ TL gemahlener Ingwer
- 1 Messerspitze Nelkenpulver
- 1 EL Butter
- 2 Eier (Größe L)
- 1 Liter Milch
- 90 g Zucker
- 10 g Vanillezucker
- 150 g Rundkornreis
- 1 große Prise frisch geriebene Muskatnuss
Zubereitung
- Die Pflaumen in ein Sieb gießen, dabei die Flüssigkeit in einer Schüssel darunter auffangen. Die Flüssigkeit in einen kleinen Topf geben. Den Rohrohrzucker, Zimt, Ingwer und das Nelkenpulver einrühren, und alles bei mittlerer Temperatur ca. 10 Minuten leicht sprudelnd kochen lassen, bis die Flüssigkeit sirupartig geworden ist.
- Den Backofen auf 150° Ober-/Unterhitze vorheizen.
- Eine Auflaufform von etwa 2 Liter Fassungsvermögen mit der Butter gleichmäßig einfetten.
- Die Milch und die Eier in einer großen Schüssel gründlich miteinander verquirlen. Die beiden Zuckersorten, den Reis und die Muskatnuss unterrühren, und alles in die vorbereitete Form füllen.
- Den Reis 2 bis 2½ Stunden im Ofen backen bis die Oberfläche schön goldbraun geworden ist, dabei während der ersten Stunde immer wieder durchrühren, etwa alle 15 Minuten.
- Den fertigen Fladen eine Viertelstunde ruhen lassen, und dann mit den Gewürzpflaumen servieren.